Neid und Missgunst auf Erfolge anderer in der Bütt sind in der Mainzer Fastnacht durchaus nicht selten. Das sind menschliche Reaktionen, die man als langjähriger Redner wegstecken kann. Das Gleiche gilt für Beschimpfungen von sogenannten besorgten Bürgern, die sich anonym zu Wort melden. –Geschenkt!
Was aber in dem AZ-Artikel vom 16.02.2017 passiert, hat eine andere Qualität. Das Recht auf freie Rede und freie Meinungsäußerung des Narren wird von Mitgliedern der eigenen Zunft in Frage gestellt. Anstatt das freie Wort in der Bütt zu unterstützen, werden Inhalte der Reden von Andreas Schmitt und mir selbst als populistisch dargestellt und in die Nähe des Unflätigen gerückt. Redner, die sich in ihren Darbietungen gegen rechtspopulistische Tendenzen in unserer Gesellschaft abgrenzen, die rassistische und faschistische Tendenzen mit satirischen Mitteln angreifen, werden inhaltlich beurteilt und als „Holzhammer“- Reden zensiert.
Statt Solidarität zu zeigen, grenzt man sich ab. Der eine verweist auf seine geschliffenen Reime, der andere auf seinen „subkutanen“ Vortrag. „Wer draufhaut muss auch einstecken können!“ heißt es da. Grundsätzlich richtig, aber nicht in diesem Zusammenhang. Denn was schließt man aus diesen Äußerungen? Ihr seid selber schuld, dass ihr verleumdet und bedroht werdet, wenn ihr solche Reden haltet.
Merken die Kollegen eigentlich nicht, dass sie damit all diese Droh- und Schmähbriefe relativieren? Merken sie eigentlich nicht, dass sie am eigenen Ast sägen?
Leider sind für mich persönlich Äußerungen dieser Art nichts Neues. Ich habe das vor einigen Jahren als Folgen meiner satirischen Thematisierung der Wohnbauaffaire in noch viel perfiderer Form erfahren müssen.
Konkret Stellung zu beziehen ist halt nicht jedermanns Sache und kann auch nicht von jedem verlangt werden. Dass man aber ein wenig bei seinen Äußerungen nachdenkt, wenn das Grundrecht der Meinungsfreiheit attackiert wird, sollte man doch erwarten können.
Ich hoffe, dass braunes Gesindel nie mehr in der Lage sein wird, politische Macht auszuüben, denn ich kann mir im Augenblick nur schwer vorstellen, wie Mainzer Redner auf eine solch dramatische Situation reagieren würden. Mit geschliffenen Paarreimen? Nach jedem Vers einen artigen Diener vor den Herrschenden? Mit subkutanen Vorträgen, einem kleinen schnöseligen Liedchen dazwischen und zum Abgang ein paar galante Kratzfüßchen?
Die Fragen erübrigen sich. Wenn je wieder Despoten in Deutschland das Sagen haben, wird als erstes die freie Rede verboten sein, egal ob sie mit dem Florett oder dem Säbel vorgetragen wird.
Hans-Peter Betz
Den Artikel aus der Allgemeinen Zeitung vom 16.02.2017 finden Sie hier:
Drohbriefe dank Populismus? Mainzer Aktive sehen Grund für anonyme Briefe in Art des Büttenvortrags begründet (Allgemeine Zeitung, 16.02.2017)
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